Berlin im Oktober 2022

Danke und Adieu

Liebe Patientinnen, liebe Patienten,
es ist Zeit für mich, Adieu zu sagen. Zum Jahresende gebe ich die Praxis ab, nehme Abschied von diesem kleinen Unternehmen, das ich 35 Jahre geführt und immer als mein Baby betrachtet habe.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle bitte einen kleinen Rückblick.

1987 übergab mir mein Vorgänger Dr. Pötter die Praxis, die er 1948 von einem Dr. Mück übernommen hat, der diese im Jahr 1912 gegründet hatte. Ich bin also der dritte von nur drei Inhabern, die diese Praxis durch einen Zeitraum von 110 Jahren, zwei Weltkriegen und fünf Staatsformen geführt haben!

Die Praxis befand sich nicht immer in diesem Haus. Sie hat in all den Jahrzehnten mehrmals ihren Standort verändert, aber niemals den Kiez zwischen Hohenzollerndamm, Güntzel-, Uhland- und Brandenburgische Straße verlassen.

Kaum eingerichtet, gab es im Herbst 1989 einen Brand. Durch einen Kurzschluss hatte sich nachts ein Kühlschrank entzündet. Die feinen Rußpartikel verseuchten die gesamte Praxis bis in den letzten Winkel. Ein Riesenschaden! Und während die Mauer fiel, die Menschen auf dem Ku ́damm feierten, mein Sohn seine ersten unsicheren Schritte tat und ich meine Doktorarbeit verteidigte, mussten wir uns mit dem Wiederaufbau der Räumlichkeiten beschäftigen. Wochenlang betrieben wir die Praxis auswärts, zuerst in dem Campingwagen meiner Angestellten Martina Seidel, später in einer gemieteten Hinterhauswohnung. Den zweiten Weihnachtsfeiertag 1989 verbrachte ich im
Keller mit dem Säubern der letzten rußgeschwärzten Gläser.

Ein halbes Leben habe ich hier gearbeitet. Niemals hätte ich gedacht, dass ich so lange bleiben würde. Mit zehn, maximal zwanzig Jahren hatte ich gerechnet. Doch dann verging die Zeit, ohne dass es mich gedrängt hat, aufzuhören.

Es waren durchweg intensive Jahre. Arbeitsreich, interessant und sehr erfüllt.

Was hat sich in diesen Jahrzehnten nicht alles verändert! Während wir anfangs noch mit Karten und Krankenscheinen arbeiteten, haben sich inzwischen längst Computer und Chipkarte durchgesetzt. Am Anfang gab es nur zwei Telefone. Eins an der Anmeldung, das andere auf meinem Schreibtisch. Aber anders als heute, klingelten sie damals eher selten.
FAX war das modernste Fernübertragungsmedium, an Handys und Internet nicht im Entferntesten zu denken. Den ersten Rechner bekamen wir 1992. Ein schweres Ungetüm mit einer Festplatte von 128 MByte! Da diese natürlich ziemlich bald voll war, musste der Speicher zum Preis von 6.000 DM auf 512 MByte erweitert werden. Wer kann sich das heute noch vorstellen?

Hat mir mein Beruf Freude gebracht? Uneingeschränkt ja.

Als gelerntem Physiker kam mir die Organisation der komplexen Abläufe einer Hausarztpraxis entgegen. Als neugieriges Individuum, habe ich die Begegnungen mit den vielen Menschen als sehr bereichernd und belebend empfunden.

Und überhaupt: Arzt zu sein, ist ein ganz besonderer Beruf, weil man Menschen in ihren großen und kleinen Sorgen beistehen kann, in Zeiten des Glücks und der Nöte.

Kinder wurden geboren, wuchsen heran, bekamen selbst Kinder. Menschen in mittleren Jahren wurden mit mir zusammen alt, viele der Älteren starben.
Ich habe es geliebt, in diesem Lebensstrom mitzuschwimmen, ein Teil von ihm zu sein. Dabei war ich nicht nur der helfende Arzt. Ich habe durch Sie alle auch sehr viel gelernt. Über das Leben, die Menschen, den Alltag und seine Grenzsituationen. Ich habe verstanden, wie Menschen leben, denken, wie sie wirklich sind. Habe den Reichtum des Daseins erfahren.

Bei all dem Schönen, das diesen Beruf ausmacht, besteht durch die Dauerbelastung, der man als Arzt ausgesetzt ist, aber auch die große Gefahr, auszulaugen. Denn Menschen sind natürlich nicht immer nur lieb, interessiert, höflich und angenehm. Kontakte mit Patienten sind oft intensiv und können manchmal auch anstrengend sein. Man muss als Arzt viel von sich geben, und wenn man nichts zurückerhält, kann es zu einem Burnout kommen.
Glücklicherweise habe ich von den allermeisten Menschen aber viel Kraft empfangen. Am Ende kam meistens mehr Energie zurück, als ich geben musste und konnte. Und wenn das so ist, wird dieser Beruf zu einer enormen Bereicherung, selbst wenn manche Arbeitstage nach 12 Stunden nicht beendet waren und viele Wochenenden durchgearbeitet werden mussten.

Bei alldem konnte ich mich immer auf ein starkes, solidarisches Team stützen, ohne das diese Leistung nicht möglich gewesen wäre. Ich freue mich über die große Treue und Hingabe meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
Frau Zorn hält extrem engagiert und mit sehr viel Herzblut seit 30 Jahren die Stellung, Frau Glowacki ist mir seit 20 Jahren eine unverzichtbare Stütze, Frau Bernstein arbeitet als Ärztin fachkundig und zuverlässig seit 13 Jahren für die Praxis. Frau Mehic ist zwar erst seit 3 Jahren an Bord, dort aber nicht mehr wegzudenken.
Danken will ich auch meiner Frau, die sich nach langen, aufopfernden Praxisjahren Ende 2021 zurückgezogen hat. Nicht vergessen möchte ich Frau Schwedka, die seit 2 Jahren den Hintergrund organisatorisch aufbereitet und Frau Serek, die in diesem Jahr zum Team gestoßen ist.
Meine ärztliche Funktion wird Dr. Wilichowski übernehmen, der vielen Patienten aus seiner Weiterbildungszeit als sehr beliebter Assistent in bester Erinnerung ist.

Aber jede Party geht irgendwann einmal zu Ende und so ist es nun Zeit, Platz zu machen.
Ich möchte Ihnen meine Nachfolgerin Nicole Kuhnert als ausgezeichnete Ärztin empfehlen. Sie hat mich seit vielen Jahren erfolgreich in der Praxisleitung unterstützt.
Ich wünsche Ihr viel Erfolg und eine glückliche Hand.

Und nun also Adieu und Dank.
Es war mir eine große Ehre und wunderbare Freude, für Sie da gewesen zu sein, herzlichst,
Ihr Dr. Peter Volkmann

Dr.P.Volkmann@gmx.de
(Über einen Gruß von Ihnen würde ich mich freuen)